ALUMNI


Johannes Lothar Schröder
Performance-Künstler und freischaffender Kunsthistoriker, Hamburg

Ich sehe mich unter widrigen Verhältnissen im Aufbruch begriffen. Drei Jahre Klausur haben mir Kraft gegeben, weil ich neben der Kunsttheorie mein zweites, lange nicht gut gepflegtes Fundament, die Kunstproduktion, gestärkt habe. 16 mittelgroße Bilder sind dabei entstanden. Die meisten sind komplett neu und 6 davon zu Ende gemalt worden. Diese vor 20 Jahren begonnenen Bilder waren überhaupt der Anlass für die Klausur, denn sie sollten auf die Probe gestellt werden und tatsächlich hielten sie meinem kritischen Blick weiterhin stand. Außerdem kam ich zu der Erkenntnis, dass ich heute an dem Punkt angelangt bin, den ich mit dem Kunstgeschichtsstudium erreichen wollte: Meine Absicht war, mehr über Geschichte und Theorie der Kunst zu erfahren, um qualifiziert Kunst machen zu können. Wie wir wissen, stehen die heutigen Auffassungen von Kunst dem diametral entgegen. Nun, ein Trotzdem ist mir nicht fremd, obwohl es nicht immer hilfreich war. Neben dem Malen und Schreiben sind zahllose Zeichnungen, Konzepte, Installationen und drei Performances entstanden.

Gleichwohl haben Phasen guter künstlerischer Produktion bei mir immer schon das Schreiben beflügelt und umgekehrt. So ist ein Text über Käfige entstanden (Die Schaulust am Leiden anderer durchbrechen, in: Wilfried Hagebölling: Abu-Ghureib 2003/2004, Friedrich von Spee 1631/1632, Paderborn 2005, S. 11-16), den ich erweitert ins Englische übersetzt habe und auf der 12. Performance Studies Conference über Performance und Menschenrechte an der Queen-Mary-University in East London 6/2006 als Kurzvortrag hielt. Ein Essay über „At the Edge of Globalisation. Tatsumi Orimoto’s Communication Art“ ist soeben in einem Katalog über drei Jahrzehnte von Orimotos Schaffen (Performance Raisonnée, Tokio 2006) auf Englisch erschienen; eine japanische Fassung ist in Vorbereitung.

Letzten Sommer habe ich „2 in 2“, einen Beitrag zum Hamburger Architektursommer (www.architektursommer.de) in der Siemensniederlassung und in der Halle des Oberlandesgerichts kuratiert. Es ging um zwei Installationen aus Verpackungsmaterial in zwei Bauwerken verschiedener Epochen. Die Texte dazu sollen dieses Jahr mit zahlreichen Abbildungen der Werke von Yoshiaki Kaihatsu und Knut Eckstein als Buch erscheinen. Inzwischen habe ich mit Klaus Baumgartner den 2. Jahrgang von AMOKKOMA (www.amokkoma.eu) auf den Weg gebracht. Wir starten mit einer DVD über die „LaLaLand-Parade“ von Paul McCarthy (Haus der Kunst in München, 2005), die mit einem Text von mir als Booklet geliefert wird. Für meine Performance und Installation „relic_lounge“ auf dem 2. Performance-Festival auf Salzau www.performance-festival.de habe ich aus Manuskriptseiten und Korrekturfahnen Module gefertigt, die als „Hercules_Hangars“ aufgestellt werden. Die dazu entwickelte Grafikserie wird mit einem Konzept unter dem Stichwort „architexture“ in Heft 1/2007 der Zeitschrift „Performance Research“ (Routledge, London) vorgestellt, die ebenfalls in den Zeitschriftenprojekten zur documenta 13 veröffentlicht wird.

Meine erste Reise im neuen Jahr führte in die Schweiz, um „Black Box“, eine Auftaktveranstaltung mit Performern zu moderieren, deren Videos im folgenden Halbjahr als Vorfilme im KinoK in St.Gallen gezeigt werden. Der Initiator René Schmalz hat seine Sammlung www.schauwerk-sammlungsprojekt.ch der Kantonsbibliothek Appenzell in Trogen zur Verfügung gestellt.

Diese Begegnung war für mich Anlass, einmal mehr mein Archiv zum Thema Performances und Zeit durchzukämmen. Mein Wunsch wäre es, die Forschung, die mit "Monoposto" (Magisterarbeit) und mit "Identität / Überschreitung Verwandlung" (Dissertation über Happenings, Aktionen und Performances) begonnen und mit eigenen Performances fortgesetzt wurde, weiterzuführen. Vielleicht bin ich schon mitten in diesem Projekt und werde nur noch durch den Gedanken blockiert, es zwischen zwei Buchdeckel quetschen zu müssen.

 

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